• In der Geschäftsführung arbeiten Rosemarie und Hartmut Berner dieses Jahr 30 Jahre zusammen
Von Jutta Michaud

Wege öffnen sich beim Gehen

Strahlende Augen, offener Blick, waches Lächeln – äußerlich ist es nicht schwierig, Rosemarie Berner zu beschreiben. Sie hat die Ausstrahlung einer sportlichen und tatkräftigen Frau, die ihren Platz im Leben gefunden hat. Ihre zahlreichen Qualifikationen und Erfahrungen in einen Satz zu pressen, ist hingegen schier unmöglich. Das Leben dieser Frau, der Fröhlichkeit und Zufriedenheit im wahrsten Sinne des Wortes aus den Augen leuchten, ist nicht nur facettenreich und bunt, sondern ein Paradebeispiel dafür, wie man Karriere im Einklang mit Ambitionen und Leidenschaften machen und zu immer neuen Zielen gelangen kann – manchmal auf krummen und verwobenen Wegen.

Realschullehrerin hatte sie ursprünglich werden wollen. Doch trotz eines Abschlusses mit Auszeichnung fiel sie einem heute kaum vorstellbaren Phänomen zum Opfer. Damals nannte man es die „Lehrerschwemme“. Selbst als eine der Jahrgangsbesten gelangte sie nach dem Referendariat nur auf die Einstellungs-Warteliste.

Das Gute im Schlechten

Doch wäre alles glatt gelaufen, hätte sie in den kommenden Jahren vermutlich nur einen Bruchteil ihrer Ideen verwirklichen können.
Es klingt paradox, doch gerade die verschlossenen Schultüren führten dazu, dass Rosemarie Berner in den kommenden Jahrzehnten mehr zur Bildung und Ausbildung junger Menschen beitragen konnte, als es im „normalen“ Schuldienst möglich gewesen wäre.

Wie es dazu kam?

Die Zauberworte heißen Flexibilität, Neugierde, Innovationsgeist, Organisationstalent  und Kreativität. Hinzu kommen unter anderem Eigenschaften wie Humor, Menschenkenntnis sowie der Mut, zügig vom eingeschlagenen Weg abzuschweifen und zu schauen, was die Nebenpfade zu bieten haben.

So begann die Berufsbiografie der frisch gekürten PH-Absolventin mit einem Zeitvertrag im kaufmännischen Bereich einer Stuttgarter Baufirma, bei der Imbau Industrielles Bauen GmbH. Als der Vertrag auslief, wechselte sie zu Fink Bedachungen, in den Betrieb ihres Mannes, den sie bis heute als „Winning Team“ mit Hartmut Berner leitet. Beide haben den Anspruch, in ihrem Bereich die Besten zu sein und da sie sich gegenseitig bestens ergänzen, wurde aus der Idee, nur einmal in die Firma „hineinzuschnuppern“, ein Erfolgsmodell.

Start in eine spannende Berufsbiografie

Aus dieser erst einmal praktischen  Entscheidung eröffneten sich ungeahnte Möglichkeiten. Möglichkeiten,  in denen Lehren und Entwickeln eine große Rolle spielen. Möglichkeiten, die auch viele andere Fähigkeiten, Leidenschaften und Interessen wachsen und gedeihen ließen. Unterstützt von Schwiegermutter und Ehemann, die immer an sie glaubten, eröffnete der Schritt ins Familienunternehmen auch die Chance, Beruf und Familie optimal miteinander zu verbinden. Und das nicht etwa als „mithelfende Ehefrau“, sondern als Persönlichkeit, die sich neben dem Miteinander eine unabhängige Karriere aufbaute.

Und ein weiteres Studium…

Kaum hatte Tochter Sarah im Juni 1990 das Licht der Welt erblickt, bot sich die Gelegenheit, sich mit einem Abendstudium weiter zu qualifizieren. Rosemarie Berner griff zu. Ihr Mann unterstützte sie mit „Kinderdiensten“ am Abend, zum Samstagsunterricht nahm sie das Baby kurzerhand mit. Zwei Jahre später und um Sohn Jonathan reicher, hatte die junge Mutter ihre nächste Auszeichnung in der Tasche: Den Adalbert Seifritz Preis für hervorragende Leistungen im Studiengang „Staatlich anerkannte Betriebswirtin des Handwerks“. Im gleichen Jahr wurde sie in einem  bundesweiten Wettbewerb der Betriebswirte des Handwerks e.V. mit dem 2. Preis für „Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln“ ausgezeichnet.

Bewegte Zeiten

Nun öffneten sich doch noch die Schultüren.
Keine Realschultüren, sondern die der Handwerkskammer Region Stuttgart und der Karlsruher Meisterschule des Dachdeckerhandwerks. Dort sollte sie  für die nächsten 21 Jahre Baulohnabrechnung, Personalwesen und Büroorganisation unterrichten. Darüber hinaus entwickelte sie gemeinsam mit einem Team in dieser Zeit ein Weiterbildungskonzept für das „Berufsbild „Büroleiter*in im Handwerk“ inklusive Lehrplan und Auswahl geeigneter Dozenten. Damals als Modellversuch mit Landesmitteln finanziert, wird ihr berufsbegleitendes Konzept heute in allen Kammern des Landes Baden-Württemberg eingesetzt. Quereinsteiger*innen werden damit innerhalb von sechs Monaten in Sachen Marketing, Betriebswirtschaft, Personalwesen und Recht fit gemacht. Und wie es anschließend mit der Fitness stand, überprüfte  sie lange Jahre als Vorsitzende der Prüfungskommission.

Auch im Ehrenamt ein Team

Parallel dazu und zu ihren Arbeitsbereichen Controlling, Marketing, Personalwesen und Veranstaltungsorganisation bei Fink Bedachungen, unterstützte Rosemarie Berner ihren Mann jeweils 12 Jahre lang  bei der Leitung des Gewerbevereins in Illingen und der Dachdeckerinnung der Region Stuttgart. Hier konnte sie nach Herzenslust zwei weitere Leidenschaften ausleben: die Freude am Organisieren großer und kleiner Veranstaltungen und das Schreiben. Reden, Werbetexte, Festtagsgrüße, Rosemarie Berner findet immer die passenden Worte. Und seit Fink Bedachungen als eines der ersten Unternehmen der Branche mit einer Website online ging, verfasst sie mit Herzblut auch Blogtexte, die man immer wieder gerne liest.

Bildung auf allen Ebenen

Durch die Vielseitigkeit ihrer Tätigkeiten entstand über die Jahre ein reicher Wissens- und Erfahrungsschatz. Engagiert bringt Rosemarie Berner es in Ihre Gremienarbeit ein. Sei es als Jurorin für den Innovationspreis  Weiterbildung der IHK Region Stuttgart, wie als Mitglied im Kuratorium der Landesakademie des Handwerks. Selbstverständlich haben Bildung und Fortbildung  auch im eigenen Unternehmen einen hohen Stellenwert. Neben Inhouse-Schulungen werden die Mitarbeiter*innen bei Fink Bedachungen beispielsweise ermutigt, an Erasmus-Programmen teilzunehmen, um im Ausland Erfahrungen mit anderen Verfahrenstechniken zu sammeln.

Kraftquellen

„Sich regen bringt Segen“, sagt ein Sprichwort. Auf Rosemarie Berner scheint das perfekt zu passen. Ihr Erfolg beruht im zu einem großen Teil darauf, Chancen zu erkennen und beherzt zu nutzen. Doch auch sie muss ihre Batterien immer wieder aufladen. Neben der „Tankstelle Familie“ hat sie eine Kraftquelle aufgetan, an der sie auch andere Menschen gerne teilhaben lässt. Seit 2006 ist Rosemarie Berner zertifizierte Luna -Yogalehrerin mit eigenem Studio. „Mit Leichtigkeit in die Tiefe gehen“, fasst sie ihr Luna-Yoga® zusammen, eine Kombination von Yogahaltungen, rituellen Tänzen aus aller Welt und Entspannungstechniken. Welch mächtiges Instrument diese Form des Yogas gegen Stress und Verspannungen ist, wissen Teilnehmer*innen und Lehrerin gleichermaßen zu schätzen. Und weil Körper und Seele gleichermaßen bedacht werden wollen, ist seit einiger Zeit auch das Kreative Schreiben ein Teil des Lebens, aus dem sie Kräfte schöpft. An dieser wunderbaren Balance muss es liegen, dass Rosemarie Berner trotz ihres immensen Pensums so entspannt wirkt.

Frauenpower

Eins ist sicher: Sie inspiriert. Und ermutigt auch junge Frauen, sich für das Handwerk zu begeistern und sich jenseits der typischen Pfade auszuprobieren. Erfolge haben immer mehrere Mütter und Väter, weiß Rosemarie Berner. Und doch: Wenn eine Auszubildende mit Spitzennoten zur Bundessiegerin der Dachdeckergesell*innen gekürt wird und Tochter Sarah sich anschickt, das Familienunternehmen in die Zukunft zu führen, hat das garantiert auch mit einem Vorbild zu tun, das zeigt, was im Leben alles möglich ist.